Prävention

Präventionsarbeit mit Jugendlichen gegen ehrbezogene Gewalt und Zwangsverheiratung

Die ersten Personen, die mit Mädchen* und Jungen* in Kontakt treten, die von Zwangsheirat und Gewalt im Namen der „Ehre“ betroffen sind, sind meistens Mitarbeiter*innen in Schulen und Jugendeinrichtungen. Deshalb sind sie als Ansprechpartner*innen in einer Notsituation ausgesprochen wichtig. Häufig ist die Schule oder der Ausbildungsplatz der einzige Ort, an den Mädchen* und Jungen*, die in ihrer Freiheit eingeschränkt und unterdrückt werden, hingehen dürfen.

Lehrkräfte, Sozialpädagog*innen bzw. Sozialarbeiter*innen werden daher mit der Aufgabe konfrontiert, im Fall einer Gefahrensituation schnell und angemessen zu handeln, ohne dabei die Jugendlichen zu gefährden. Da Fälle von Zwangsverheiratung oder Bedrohung durch die Familie nicht täglich an einer Schule oder Jugendeinrichtung vorkommen, sind sich viele Pädagog*innen und Sozialarbeiter*innen unsicher, wie sie handeln sollen.

Prävention

Um Gewalt im Namen der Ehre vorzubeugen, ist es wichtig, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bezug auf das Thema zu sensibilisieren, ihnen aufzuzeigen, was ihre Rechte sind, und dass sie sich an die Lehr- und sozialen Fachkräfte wenden können, wenn sie Probleme haben.

Präventionsmöglichkeiten und Handlungsempfehlungen für die Praxis

Zu beachten ist, dass Themen wie Zwangsheirat sehr tabuisierte Themen sind, über die meist noch nicht einmal im Freundeskreis gesprochen wird. Es ist demnach nicht zu erwarten, dass bei einer persönlichen Betroffenheit in einer größeren Gruppe über dieses Problem gesprochen wird. Wichtig ist, deutlich zu machen, dass sie nicht alleine sind und dass jemand da ist, dem sie vertrauen können.

Viele Jugendliche denken, sie wären die Einzigen, die von Zwangsheirat oder Gewalt im Namen der Ehre betroffen sind. Pädagog*innen sollten daher thematisieren, dass Zwangsheirat auch in Deutschland vorkommt, und dass es keine Schande ist, selbst davon betroffen zu sein. Um den Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, in einem geschützten Rahmen über ihre Probleme zu sprechen, kann es sinnvoll sein, wöchentliche Sprechstunden von einer Vertrauenslehrer*in für die Mädchen und extra Sprechstunden von einer Vertrauenslehrer*in für die Jungen anzubieten.

Die Hemmschwelle, über diese Themen zu sprechen, lässt sich leichter überwinden, wenn zunächst „offiziell“ andere Themen im Vordergrund stehen, etwa „Zukunftsplanung“. Dieses und andere Projekte, z. B. ein Malkurs für Mädchen* oder Jungen*, könnten dazu geeignet sein, „Tabuthemen“ anzusprechen und das Selbstbewusstsein zu stärken. Ebenfalls sinnvoll sind Gesprächskreise oder Gruppengespräche, die für Jungen und Mädchen getrennt stattfinden. Denn Mädchen, die von Gewalt im Namen der Ehre bzw. Zwangsheirat bedroht oder betroffen sind, haben meist Hemmungen, über Themen wie Gleichberechtigung, die Rolle von Mann und Frau, Heirat und Zwangsehe zu sprechen. Da die Brüder der Mädchen traditionell die Pflicht haben, diese zu überwachen, bzw. zu „beschützen“, kann die Anwesenheit von Jungen als störend empfunden werden.

Präventionsarbeit in der Schule:

Diese Sensibilisierungsmaßnahmen müssen Bestandteil des normalen Unterrichts sein, damit sie auch wirklich die bedrohten oder betroffenen Jugendlichen erreichen. Denn viele dürfen nicht an „Extraprojekten“ nach dem Unterricht teilnehmen. Die Eltern befürchten, dass sie sich in der Zeit mit Jungen treffen oder ihrem Einfluss entgleiten und zu „westlich“ werden.

Jungenarbeit

Auch männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund haben unter Gewalt im Namen der Ehre zu leiden. Sie werden nicht selten von den Eltern unterdrückt und mit Gewalt in die Rolle des „Aufpassers“ und „Hüters“ der Familienehre gedrängt. Sie stehen unter einem immensen Druck, auf ihre Schwestern aufzupassen und die Familienehre notfalls mit Gewalt zu verteidigen.

Daher ist es wichtig, dass auch die männlichen Jugendlichen Angebote bekommen, die ihnen Möglichkeiten der Lebensgestaltung, jenseits ihrer traditionellen Rolle, aufzeigen. So wäre es z. B. wichtig, dass sie nachmittags zusätzliche Angebote wie Sport oder andere Freizeitaktivitäten nutzen können und im Blick auf ihre Zukunfts- und Berufsplanung Hilfestellung erhalten. Zudem ist es notwendig, mit den Jugendlichen über die Rolle von Mann und Frau, sowie Gleichberechtigung beider Geschlechter zu sprechen. Ziel ist, dass auch die männlichen Jugendlichen mit Migrationshintergrund ein Selbstbewusstsein entwickeln, das sich nicht allein aus ihrer Rolle als „Patriarch“ speist. Vielmehr sollen sie auf das, was sie selbst leisten, stolz sein und realistische Zukunftsperspektiven haben. Diese Sensibilisierungsarbeit ist natürlich nicht von einer Lehrkraft in einem kurzen Zeitraum zu leisten. Dazu bedarf es der Kooperation verschiedener Einrichtungen wie z. B. Schulen, Jugendhäusern, Beratungsstellen und Projekten wie z.B. „HeRoes“.

Im 2-Regionen-Modell stehen besonders die HeRos in der Region Mitte und das Diakonische Werk Vogelsberg in Osthessen für Präventionsarbeit mit Jungen und Männern. In der Region Nordhessen ist dieser Bereich noch im Aufbau und ein Träger ist noch nicht gefunden.

Alle anderen Beratungsstellen bieten ebenfalls Präventionsprojekte für Schulklassen, aber auch Erwachsene als Zielgruppe an und können dazu angefragt werden.

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